Regionalportal

Die Geschichte der Zuckerherstellung in Egeln

Im Jahre 1838 wurde in Klein-Wanzleben eine Zuckerfabrik errichtet. Dort wurde zuerst nur mit Hand- oder Pferdebetrieb gearbeitet. Die anfänglichen Gewinnungsmethoden ergaben eine Verarbeitungsmenge von etwa 2 Tonnen pro Tag. In Klein-Wanzleben wurde neben der Zuckergewinnung auch Rübenzüchtung betrieben. In Etgersleben wurde 1839 eine weitere Zuckerfabrik gebaut. In Egeln wurde von Viktor Mackensen 1847 die erste Rübenverarbeitung, die so genannte "Marienstuhl" gebaut. 1852 folgte der Pächter der Schloßdomäne Egeln mit dem Bau der zweiten Zuckerfabrik, der "Amtsfabrik". Die "Amtsfabrik" bestand aber nur bis 1885 und wurde dann zur Molkerei umgebaut. Weitere Fabriken entstanden 1847 in Unseburg und Wolmirsleben, 1848 in Cochstedt, 1858 in Börnecke und Hecklingen und 1859 in Biere, um nur einige zu nennen. Während es im Jahre 1834 in Deutschland erst 21 Zuckerfabriken gab, waren es 1846 bereits 96 Betriebe und 1856 schon 233 Standorte. In der Gegend um Egeln gab es damals nur wenige Orte, in denen es keine hohen Schornsteine gab oder wo es süßlich nach Zucker roch. In den Jahren 1860/70 wurde ein neues Saftgewinnungsverfahren entwickelt und die Rübenverarbeitung konnte um das Doppelte und dreifache gesteigert werden. Diese Entwicklung ergab, dass die um 1870 arbeitenden 304 Zuckerfabriken damals in einer Saison schon 3 Millionen Tonnen Rüben verarbeiten konnten. Diese enorme Vergrößerung ergab aber auch bedeutende Probleme bei der Beschaffung der erforderlichen Rübenmengen. Die notwendigen weiten Anbauflächen waren schwer zu beschaffen. Die Pachtpreise schnellten in die Höhe, um die Schuläcker und die Pfarräcker wurden heiß geworben. Da zunächst weder Zucker noch Rüben besteuert wurden, ging die Entwicklung der Industrie mit großen Schritten voran. Durch die Weiterentwicklung der Zuckerherstellungstechniken und durch die Einführung der Zuckersteuer entstand eine harte Konkurrenz unter den Fabriken. In den Jahren 1885 bis 1890 musste in Etgersleben, Unseburg, Hakeborn und in der "Amtsfabrik" in Egeln die Zuckerherstellung eingestellt werden.

Die Egelner Zuckerfabrik "Marienstuhl" konnte durch technische Erweiterung vor dem Aus gerettet werden. Diese Zuckerfabrik wurde in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Bauern konnten Aktionäre werden und erhielten mit den anfallenden Rübenschnitzeln zusätzlich sehr wertvolles Futtermittel. Die Zuckerfabrik bot damals in Egeln hunderten von Menschen Arbeit und einen guten Verdienst. Das Aufblühen der Zuckerindustrie gab auch der Landwirtschaft Aufschwung. Zur Bewältigung der saisonbedingten Arbeiten wurden Arbeitskräfte aus den ärmeren Regionen Europas, wie dem Eichsfeld, Polen oder Russland angeworben. Diese Menschen kamen und gingen wie Zugvögel, waren fleißig und anspruchslos. Die meisten wohnten in sehr einfachen Verhältnissen und wurden von den Arbeitgebern auch oft ausgenutzt. Die Arbeiter gingen nach Saisonende mit etwas Geld und verschiedenen Waren in ihre Heimat zurück. Manche blieben auch hier in der Gegend und deren Kinder leben heute mitten unter uns, nur ihre Namen können teilweise noch daran erinnern. Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte eine Enteignung der Zuckerfabriken ohne Entschädigung der Eigentümer. Die Egelner Fabrik "Marienstuhl" musste 1946 die Produktion einstellen. Die Egelner Bürger wurden noch im gleichen Jahr von der sowjetischen Besatzungsmacht aufgefordert, bei der Demontage der Zuckerfabrik zu helfen. Dabei wurden die hochmodernen technischen Einrichtungen auseinander genommen, in Kisten verpackt und nach Russland verschickt. Die meisten Maschinen konnten in Folge der unsachgemäßen Demontage und schlechten Verpackung in keiner russischen Fabrik wieder aufgebaut werden. Diese Maßnahmen waren für Egeln eine Katastrophe. Aber die Not leidende Bevölkerung fand in Kellern, in Lagern und auf Böden Riesenmengen von Rohzucker. Dieser Rohzucker konnte nach der letzten Saison nicht mehr an die Raffinerien geliefert werden. Das waren nun für viele große Schätze, die nun heimlich und mühsam aus einer gelbbraunen Masse herausgehackt wurden. Dieser Zucker war durchaus verwendbar und bereicherte die Küchen der weiteren Umgebung. Der Zucker wurde auch gegen dringend gesuchte Gegenstände eingetauscht, wie Kleidung oder Haushaltsgeräte. In Egeln ging die Rübenverarbeitungsindustrie zu Ende und die einst so bedeutende Fabrik wurde zur Ruine.