Der Mufflon ist die kleinste Form der Wildschafe. Er ist weit über die nördliche Halbkugel verbreitet. Während der Eiszeit starben die Wildschafe in Europa aus. Erst mit der Besiedlung der Mittelmeerinseln Korsika und Sardinien gelangten vor ca. 10.000 Jahren auch Mufflons auf diese Inseln. So erfolgte die Wiederbesiedlung des europäischen Festlandes mit der Wildschaft. Es wird angenommen, dass Mufflons schon in römischen Arenen für Schau- und Kampfzwecke gehalten wurden. In Deutschland begann die Eingliederung des Mufflons erst am Anfang dieses Jahrhunderts. 1902 setzte man das erste Muffelwild im schlesischen Revier aus. 1903 wurde östlich der Lüneburger Heide und später von 1906 bis 1910 im Forstamt Harzgerode Muffelwild eingebürgert. 45 Tiere lieferte man an, aber nur 26 konnten in die freie Wildbahn entlassen werden. Laut Bestandsschätzungen gab es 1931 84 Stück. So stieg der Bestand an Muffelwild bis 1939 auf 286 Stück an. Durch den zweiten Weltkrieg reduzierte sich der Bestand erheblich. 1955 schätzte man aber den Bestand auf 170 Stück. Bis 1976 vermehrte sich das Muffelwild auf 931 Stück. Der Bestand stieg weiter und erreichte 1990 einen Höhepunkt mit ca. 1650 Stück. Nach 1991 war das Muffelwild zum Abschuss frei gegeben.
Die Ausbreitungsrichtung erfolgte nicht in die höheren Lagen, sondern
Selke abwärts in die klimatisch günstigeren Gebiete. Zu finden ist das
Muffelwild nördlich der Bundesstraße 242 von Saurasen bis Güntersberge
und östlich des Bodetals von Thale bis nach Meisdorf und Wieserode.
Zwischen Rot- und Muffelwild gibt es keinerlei Probleme. Oft ziehen sie
gemeinsam zur Äsung oder stehen an der Fütterung. Selten im Selketal zu
sehen ist das Damwild. Es bevorzugt mehr das Tief- und Hügelland. Auch
Dam- und Muffelwild vertragen sich gut. Das Muffelwild führt eine
soziale Lebensweise. Die Rudelbildung ist von der Mutterfamilie geprägt.
Das älteste Schaf ist auf Grund seiner größten Lebenserfahrung das
Leittier. In der Mutterfamilie befinden sich nur Nachkommen des
Leittieres. Die Widder, die männlichen Tiere, leben nur in den ersten
Jahren in den Mutterfamilienverbänden. Im Alter von 2 bis 3 Jahren
verlassen sie diese und bilden mit 3 bis 6 Widdern eigenständige
Widderrudel. Im Gegensatz zu den Mutterfamilien wird hier die
Rangordnung erfochten. So sind die kämpfenden Widder weit zu hören, wenn
ihre Hörner zusammenstoßen. Alte Widder ziehen danach allein oder zu
zweit weiter. Wildschafe sind ausgeprägte Augentiere. Sie haben ein
Blickfeld von 300°. So können sie jede Bewegung wahrnehmen. Geruch und
Gehör sind bei den Mufflons nicht so gut ausgeprägt wie die Augen.
Zwischen Mutterschaf und Lamm herrscht ein ständiger leiser Kontakt
durch ein deutlich hörbares Meckern. Widder scheinen stumm zu sein. Nur
in der Brunft lässt der treibende Widder ein sehr leises „Bähen“
vernehmen. Die Brunftzeit der Mufflons findet im Oktober/November,
manchmal bis Dezember, statt. Die Tragezeit erstreckt sich von Mitte
März bis Ende April. Die Schafe gebären meist ein, selten zwei Lämmer.
10 Tage vor der Geburt verlässt das hochtrabende Schaf das Rudel, um
sich einen ruhigen Ort für die Geburt zu suchen. Schon nach 5 Minuten
beginnt das frisch geborene Lamm aufzustehen und 20 Minuten später folgt
es der Mutter. Nach 4 Tagen kehrt das Schaf mit seinem fest geprägten
Lamm in den Rudelverband zurück. Auf Grund seiner Anatomie ist der
Mufflon eigentlich ein typischer Grasfresser. Im Selketal konnte man
aber feststellen, dass der Anteil an Gehölznahrung, bestehend aus
Zweigen, Blättern und Nadeln, immerhin 30 Prozent der Nahrungsmenge
ausmacht. Gehölze werden vor allem im Winter aufgenommen. Durch die
soziale Lebensweise des Muffelwildes können in den
Haupteinstandsgebieten durchaus größere Schäden an Forstpflanzen und der
Bodenvegetation auftreten. Besonders in den Frühsommermonaten stehen die
Mutterfamilienverbände gern in den Südhängen des Selketals. In unserer
Gegend tritt das Muffelwild nur selten im Sommer auf die Feldfluren aus
und verursacht somit kaum Schäden an den Ackerkulturen. Im Winter sucht
es mit Vorliebe Raps- und Winterweizenschläge auf. Das Muffelwild des
Selketals ist nicht nur berühmt durch seine Populationsgröße, sondern
vor allem durch die hier über 40 Jahre lang betriebene Wildforschung an
dieser Wildart. Der Mufflon ist zu einer Kostbarkeit der deutschen
Jagdkultur geworden. Für das Selketal ist es ein Symboltier, das nicht
mehr wegzudenken ist. Das Muffelwild ist durch seine Tagaktivität von
Touristen und Erholungssuchenden beobachtbar und somit eine Bereicherung
für unsere Natur.