Auf dem Brunnengrund der Burg Anhalt liegt seit längst vergangenen Zeiten ein geheimnisvoller Schatz, der von Berggeistern bewacht wird. Wer in den Brunnenschacht hinabsteigt, um ihn zu bergen, begibt sich in Todesgefahr oder muss als Verfluchter umherirren. Nur unschuldige Kinder, so erzählt die Sage, rühren die Berggeister nicht an, ihnen gegenüber zeigen sie sich als warnende Freunde. Vor vielen Jahren schlich ein reicher Grubenbesitzer in mondheller Nacht auf den Burgberg zu dem Brunnen. Seine Gedanken kreisten unentwegt um den Schatz, den er ohne sein Leben einzubüßen, besitzen wollte. Da blitzte der Entschluss in ihm auf, seinen noch kindlichen Bruder für dieses Abenteuer zu gebrauchen. Er riss ihn eines Nachts aus dem Schlaf, führte ihn zur Burgruine Anhalt und band ihm einen Strick um den Leib. ,,Steig in den Brunnen hinab," befahl er ihm, »fülle mir diesen Sack mit Goldklumpen, die Du dort unten findest, und rufe mich, damit ich Dich wieder hochziehen kann!" Darauf seilte er seinen Bruder in den Brunnen ab, bis sich der Strick lockerte, und er dumpfe und klirrende Geräusche aus der Tiefe vernahm. Ein fürchterlicher Schrei schreckte ihn aus seinen Schatzträumen. Mit zitternden Händen griff er das Seil und zog die schwere Last nach oben. Schon hob er den Bruder über den Brunnenrand und wollte nach der Beute langen, da entdeckte er entsetzt den leeren Ledersack auf dem toten Körper des Kindes. Mit einem Fluch stieß er den Leichnam in den Brunnen zurück, aus dem unter Donnerdröhnen eine Flamme aufloderte, in der das Kind verbrannte und als weiße Wolkengestalt entschwebte. In panischer Angst floh der Schatzgierige und irrte ruhelos durch die Lande. Nach seinem Tode spukte er weiter in den Anhaltruinen herum.