An die 400 Jahre ist es her
Als im Volk von Mund zu Munde
Weiterging die Schauerkunde,
Daß vor Güsten drauß’ im Hain
Ein groß Untier sollte sein,
Das in riesenhaften Sprüngen
Opfer suchte zum Verschlingen.
Ein Entsetzen packt’ die Bürger
Vor dem ungeheuren Würger
Und, nicht fähig gleich zu Taten,
Fing man an, sich zu beraten,
Bis der Bürgermeister sprach
„Liebe Leute, nur gemach!
Lasset uns mit langen Stangen
An das Untier gelangen,
Bis wir es mit Schrei’n und Schläge
Meuchlings räumen aus dem Wege,“
Hoch begeistert war die Menge
Und versah sich mit Gestänge;
War wohl auch kein Kind in Güsten,
Das sich damit tät rüsten.
Und nun stürmte Arm in Arm
Todesmütig vor der Schwarm
Bis zunächst mal an den Wals,
Dorten macht das Ganze halt
Um sich, wie zu allen Werken,
Durch ein Stoßgebet zu stärken,
„Jetzo drauf und dran ihr Lieben,
Denn der Unhold staht da drüben!“
Mähjtig mit der Kräfte Rest
Fassen sie die Stangen fest,
Und in fürchterlichem Stoß
Geht es auf das Untier los.
Angstschweiß macht den Stärksten naß.
Donnerwetter, was ist das?
Ist das Scheusal schon so satt,
Daß es sich verwandelt hat?
Friedlich lässt im Winde tanzen
Güstens Schäfer seinen Ranzen,
Den er an den Baum gehängt,
Wo er lieblich wird geschwenkt,
Und von weitem sieht das aus
Wie ein Bär voll List und Graus!
Ach!! – Bedeppt die Bürger stehn,
Da sie solchen Blödsinn sehn,
Traut sich keiner an die Beut’,
Weil er das Gelächter scheut,
Bis ein Witzbold sich ermannt
Und die Stange in der Hand
Fröhlich um sich schlagend schreit:
„Güsten ist vom Bär befreit!“
Lautes Lachen folgt dem Schreck.
Aber nun die Stangen weg,
Denn beschämend für den Stolz
Wirkt das lange Ende Holz,
Doch die Welt, die das vernahm
Stichelnd zu dem Urteil kam,
Daß die Bürgersleut von Güsten
„Ränzelstecher“ heißen müssten.
Heute noch im Rathaus sieht
Jeder, der die Stadt durchzieht,
Jenen Ranzen und die Stange,
Die dereinst so hoch im Schwange.