Es war eine schöne Sitte, dass sich zu den Pfingsttagen alles Ascherslebener Volk auf den Wiesen vor der Stadt versammelte und sich bei Musik und Tanz vergnügte. So war es auch am 3. Juni 1408. Jung und alt vergnügte sich wieder einmal im Freien. Gerade hatten sich die Jungfrauen auf der einen Seite der Wiese, die Jünglinge auf der anderen Seite der Wiese aufgestellt. Die Stadtpfeifer begannen zu spielen. Da verkündete der Turmwächter durch Hornstöße Gefahr. Aus war das Fest, und alles stürzte hinter die schützenden Mauern der Stadt. Dort berichtete vom schweißbedeckten Rosse aus der Bote des Grafen von Anhalt von einem bevorstehenden Überfall. Graf Friedrich von Heldrungen wollte im Auftrage des Bischofs von Magdeburg die Ascherslebener auf der Pfingstwiese überraschen. Die Wehrlosen sollten weggeschleppt werden. Die Freigabe sollte nur gegen ein hohes Lösegeld erfolgen. Aber unsere Vorfahren waren keine Hasenfüße. Sie nahmen Wehr und Waffen, gingen zur Bäckermühle und legten sich in einen Hinterhalt. Als Graf Friedrich mit seinen Reisigen an ihnen vorbeiziehen wollte, brachen die Ascherslebener aus ihren Verstecken hervor. Ein kurzer Kampf, und der Heldrunger und seine Mannen ergriffen die Flucht. Die Askanier jagten ihm nach. Bei Molmerswende konnten sie den Raubgrafen und seine Knechte gefangen nehmen. Im Triumph wurden sie in die Stadt gebracht. Die Fahne wurde als Siegeszeichen in der Stephanskirche aufgehängt. Nach der Sitte damaliger Zeit wurde der Überwältigte in einen großen, mit dicken Eisen beschlagenen Kasten gesperrt. Dieser stand im Rathausturm. Ein Jahr und neun Monate hat er in diesem Kasten seine Feindseligkeiten büßen müssen. Er musste mit seinen Söhnen und Anverwandten geloben, das der den Bürgern der Stadt nie wieder ein Leid zuzufügen. Der Kasten wurde noch Jahrhunderte hindurch der staunenden Nachwelt gezeigt. Schade, das er später zerschlagen wurde.