Regionalportal

Die letzten Türmer von St. Johannis in Staßfurt

Am 1. März 1887, dem Tag der Wiedereröffnung der Kirche, übernahm Gottlieb Soweidnig den Posten des Turmwächters und Glöckners. Er sollte der letzte Türmer von St. Johannis werden. Seine ganze Familie zog 46 m hoch in die Turmspitze. Sechs Monate Probedienst musste er leisten und wurde dann vereidigt. Die ganze Familie, er hatte eine Frau und sieben Kinder, wurden in den schweren Dienst des Türmers einbezogen. Im Umkreis von 1,6 km musste der Türmer die Stadt Tag und Nacht bewachen. Dazu wurde ein Telefon nach oben gelegt. Jedes Feuer musste sofort der Polizei gemeldet werden. Am Tag wurde eine rote Fahne in Richtung Brandstelle herausgehängt und nachts eine rote Laterne. Jeden Tag und ohne Unterbrechung war die Familie des Türmers eingespannt. Die schwerste Arbeit war das Glocken läuten. Sie wurden getreten, denn zum Ziehen waren diese zu schwer. Dreimal am Tag mussten die Glocken geläutet werden. Von zehn Uhr abends bis morgens um vier, musste der Wächter im Abstand von einer viertel Stunde das Horn blasen. Dies geschah als Zeichen, dass der Wächter auch nachts über die Stadt wacht. Zusätzlich musste sich der Turmwächter noch als Wetterfrosche betätigen. Zweimal täglich zu einer festgesetzten Zeit hatte er oder ein Familienmitglied das Wetter zu registrieren. Am Ende des Monats wurden diese Eintragungen im Rathaus abgegeben. Die Familie des Türmers leistete außerdem noch die Arbeit des Kirchendieners. 1900 begannen die Erderschütterungen und Senkungen von Neuem. Der Turm neigte sich 2,50 m nach Nord-Ost. 1906 wurde die Kirche endgültig geschlossen. Im Jahre 1926 wurde kein Turmwächter mehr gebraucht.